Die Schörghuber Unternehmensgruppe gibt sich eine dezentrale Konzernstruktur, gleichzeitig beginnt der Übergang auf die nächste Generation der Gründerfamilie. Alexandra Schörghuber und ihr Sohn Florian über die neuen Freiheiten der Unternehmensbereiche, die Aussichten auf ein überdurchschnittliches Wachstum und die Notwendigkeit, sich auch in erfolgreichen Zeiten zu hinterfragen.
Ab 1. Januar 2023 bekommt die Schörghuber Unternehmensgruppe eine dezentrale Konzernstruktur. Was bedeutet das?
Florian Schörghuber: Wir haben uns entschieden, die Managementholding in eine Finanzholding umzuwandeln: Sie gibt Ziele vor, setzt Leitplanken – aber was die Ausgestaltung der Strategien, der Strukturen und der Prozesse angeht, agieren die Unternehmensbereiche künftig deutlich eigenständiger.
Alexandra Schörghuber: Unsere operativen Gesellschaften bekommen mehr Verantwortung und größere Entscheidungsfreiheiten. Die Holding wird deshalb keine Dienstleistungen mehr übernehmen: Um Finanzen, IT, Personalabrechnung und Steuern kümmern sich die Unternehmensbereiche in Zukunft selbst. Sie werden von hervorragenden Managementteams geleitet, die ihr Marktumfeld bestens kennen und denen wir voll vertrauen.
Warum dieser Schritt?
F. S.: Die Märkte, in denen wir agieren, sind heute dynamischer als je zuvor. Das stellt die Unternehmensbereiche vor große Herausforderungen. Sie müssen in der Lage sein, schnell und passgenau zu reagieren. Unsere Geschäftsfelder sind viel zu unterschiedlich, um einheitliche Antworten zu finden oder einen von oben vorgegebenen Schritt zu gehen.
A. S.: Unser Ziel ist, die Unternehmensgruppe für die nächsten Generationen zu sichern. Wir stehen vor einem Generationsübergang und wollen uns so aufstellen, dass wir für die Zukunft gerüstet sind. Mein verstorbener Mann Stefan Schörghuber hat immer gesagt: Wir wollen agieren, nicht reagieren. Der Konzernumbau macht uns flexibler, agiler, handlungsfähiger.
"Mein verstorbener Mann Stefan Schörghuber hat immer gesagt: Wir wollen agieren, nicht reagieren. Der Konzernumbau macht uns flexibler, agiler, handlungsfähiger."
Wann haben Sie diese Transformation eingeleitet?
A. S.: Das begann vor drei Jahren. Mit unserem Vorstandsvorsitzenden Nico Nusmeier kam auch ein neues Mindset: mehr Eigenverantwortung, mehr Personalentwicklung. Jeder Mitarbeiter soll selbstverantwortlich und unternehmerisch denken.
Dann kam Corona.
F. S.: Das hat uns natürlich gebremst – und zugleich gezeigt, wie wichtig es ist, auf veränderte Marktlagen schnell und trotzdem präzise reagieren zu können. Unsere Geschäftsbereiche waren von der Krise ja ganz unterschiedlich betroffen. Durch die Dezentralisierung haben sie in unabsehbaren Situationen zukünftig noch mehr Handlungsspielraum.
Mit dem Konzernumbau und dem Generationsübergang tritt die Unternehmensgruppe in ihre vierte Phase. Können Sie das erläutern?
A. S.: Die erste Phase begann 1954 mit dem Aufbau des Unternehmens durch unseren Firmengründer, Florians Großvater Josef Schörghuber. Nach dessen Tod 1995 hat mein Mann Stefan Schörghuber, der bereits seit 1984 in Führungsverantwortung war, die Gruppe geordnet, strukturiert und, auch durch strategische Allianzen etwa mit Heineken und ITT Sheraton, internationalisiert. Als Stefan 2008 starb, übernahm ich, mitten in der Finanz- und Wirtschaftskrise. Das war die dritte Phase: Ich musste stabilisieren und die Gruppe gleichzeitig weiterentwickeln.
F. S.: Diese Stabilisierung durch meine Mutter bildet das Fundament, auf dem wir nun weiter aufbauen. Wir haben seit 2008 Tausende neuer Wohnungen gebaut, das Jahrhundertprojekt des Brauereineubaus in München-Langwied gestemmt, mit Rosewood Hotels & Resorts den perfekten Partner für die spektakulärste Hotelneueröffnung in München seit Jahren gewonnen und unsere Lachsproduktion in Chile in die Erfolgsspur geführt. Wir stehen finanziell extrem solide da und wollen jetzt den Turbo zünden: Damit beginnt die vierte Phase unserer Geschichte, für die wir mit dem Umbau der Holding die Strukturen schaffen. Wir haben die Chance, in den nächsten Jahren überdurchschnittlich zu wachsen.
"Wir stehen finanziell extrem solide da und wollen jetzt den Turbo zünden. Wir haben die Chance, in den nächsten Jahren überdurchschnittlich zu wachsen."
Herr Schörghuber, Sie werden als Co-CEO Mitglied des neuen Vorstands. Was bedeutet Ihnen das?
F. S.: Ich bin dankbar und demütig, dass ich diese Verantwortung bereits in jungen Jahren tragen darf. Und es macht mich stolz, in die Fußstapfen meines Vaters und meines Großvaters treten zu dürfen. Das ist im Übrigen nicht selbstverständlich. Ich habe ja auch noch zwei ältere Schwestern, deren volles Vertrauen ich genieße.
A. S.: Als Familienunternehmen sind wir ein Team, da gehören meine Töchter Stefanie und Michaela genauso dazu wie Florian und ich. Es gibt diejenigen, die operativ tätig sind, und die, die eher im Hintergrund wirken – aber letztlich entscheiden wir immer als Familie.
Sind Sie sich bei so wichtigen Entscheidungen wie einem Konzernumbau denn einig?
A. S.: Natürlich hat jeder seine eigenen Ansichten, aber irgendwann fügen sie sich zu einem großen Ganzen zusammen. Und bei den grundsätzlichen Zielen gab es nie einen Dissens.
F. S.: Wir machen uns immer wieder klar, dass das Unternehmen im Vordergrund steht, nicht die Individuen.
Generationsübergänge in Familienunternehmen sind nicht immer einfach.
A. S.: Bei uns war von vornherein klar, dass nichts muss, aber alles kann. Meine Kinder haben sich schon früh für das Unternehmen interessiert. Nach dem Tod meines Mannes haben alle drei Betriebswirtschaft studiert und sich mehr und mehr engagiert.
F. S.: Am Ende ist die Frage, welches Eigeninteresse man entwickelt. Mein Vater hatte es, meine Schwestern haben es, ich habe es. Als Geschäftsführer der Blue Lion, der Beteiligungsgesellschaft der Familie, bin ich seit vielen Jahren sehr nah an unserem Unternehmen dran. Insofern sind die Übernahme operativer Verantwortung in der Holding und die Umsetzung der von mir mit angestoßenen Transformation dort der logische nächste Schritt.
Sie sind froh, dass Ihre Mutter Ihnen im Vorstand weiterhin zur Seite steht?
F. S.: Absolut. Das macht es für mich und uns alle viel einfacher. Wir können das Wissen aus zwei Generationen zusammenführen, um so passgenau die Weichen für die Zukunft zu stellen.
Wie ist die Aufgabenteilung von CEO Nico Nusmeier und Ihnen?
F. S.: Mein Schwerpunkt liegt auf der langfristigen Unternehmensstrategie. Ich werde dafür Sorge tragen, dass die Familienkultur in alle Vorstandsfragen einfließt. Nico Nusmeier als operativer CEO verantwortet die Umsetzung und Ausgestaltung der einzelnen Projekte.
Neu im Vorstand ist auch CFO Stefan Fischbach: Was versprechen Sie sich von dieser Personalie?
A. S.: Er hat eine ganz wichtige Aufgabe: Wenn wir Ideen haben, muss er uns zurück auf den Boden der Zahlen holen. Herr Fischbach ist seit 20 Jahren bei uns und kennt das Unternehmen sehr, sehr gut. Wir freuen uns, dass wir ihn gewinnen konnten – und sind auch ein bisschen stolz, dass wir in der Nachfolgeplanung ein Eigengewächs hochziehen konnten.
F. S.: Auch vom Charakter passt er hervorragend in den Vorstand. Zudem ist er ein Vorbild für junge Kollegen, die sehen, welche Perspektiven wir bieten.
Neben der Konzernstruktur haben Sie auch die Portfoliostrategie unter die Lupe genommen.
A. S.: Ja – und dabei alle vier Geschäftsfelder bestätigt, mit dem Schwerpunkt auf den Kerngeschäften Bauen & Immobilien sowie Getränke.
F. S.: Wir sind in unseren vier Branchen sehr kompetent und erfolgreich – darauf wollen wir aufbauen. Wir wollen also weder ein Geschäftsfeld abstoßen, noch planen wir irgendwelche wilden Übernahmen.
Sie haben angekündigt, in komplementäre Geschäftsfelder zu investieren. Was könnte das sein?
F. S.: Alles, was nah an unserem Kerngeschäft ist. Ein Beispiel: Wir haben einen großen Immobilienbestand – also fragen wir uns: Welche Software brauchen wir fürs Facility-Management? Welche Start-ups bieten die besten Lösungen für digitale Prozesse oder nachhaltige Baustoffe? Wenn wir da investieren, können wir am Erfolg dieser Unternehmen partizipieren und nicht nur deren Dienstleistungen und Produkte einkaufen.
Bei aller Veränderung: Bleibt Schörghuber noch Schörghuber?
A. S.: Unbedingt! Aber manchmal muss man sich verändern, um etwas zu bewahren. So bequem es auch wäre, in der Komfortzone zu bleiben: Wir müssen uns im Interesse des Unternehmens und der langfristigen Sicherstellung unseres Erfolges immer wieder aus ihr herausziehen.
F. S.: Unser Familienunternehmen ist seit fast 70 Jahren erfolgreich am Markt tätig. Warum gibt es uns noch? Wie wir uns auch in der Vergangenheit schon kontinuierlich hinterfragt haben. Gerade weil es uns, auch nach zwei Jahren Pandemie, wirtschaftlich gut geht, haben wir die Möglichkeit, aktiv zu handeln und uns durch Prüfung und Anpassung unserer Strategien, Strukturen und Prozesse aus einer Position der Stärke heraus für die Zukunft zu rüsten. Dieses Momentum wollen wir bestmöglich nutzen.